Kellner-Logo, aus dem „Kellner-Kurier“ der Johann-Peter-Kellner-Gesellschaft Gräfenroda e. V.
Mit einem besonderen Trieb und Lust auf Musik und Literatur
„Dass selbst auf kleinsten Nestern höchst tüchtige Leute saßen, beweist als einer von vielen der erste Kantor aus Gräfenroda, Johann Peter Kellner, ein ganz vortrefflicher Komponist von Klaviersuiten und modernen Klaviersonaten, dessen Umgang selbst Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel nicht verschmähten.“
So urteilt der Autor Hans-Joachim Moser in dem Band „Geschichte der deutschen Musik“.
Es ist der Einfluss des Gräfenrodaer Lehrers und Organisten Heinrich Nagel, der den Jungen zur Musik bringt. Als der Schuldiener Nagel 1721 nach Dietendorf versetzt wurde, ging Kellner mit und genoss noch weitere zwei Jahre dessen Unterricht. Doch bald war der Schüler seinem Meister in seinen Leistungen gewachsen.
Johann Peter ging hierauf zum Organisten Johann Schmidt nach Zella, der ihn wirksam förderte. Er hatte auch Gelegenheit, den damals weit und breit bekannten Organist und Komponist Hyronimus Florencius Quehl im benachbarten Suhl kennenzulernen. Hier wurde der erst 17-jährige Kellner in die Grundbegriffe der Musik eingeführt. Er verschaffte sich das Rüstzeug, das ihm bei seinem späteren Wirken unerlässlich war. Die Freundschaft zwischen den Beiden hat viele Jahre angedauert.
Zurück in seinen Heimatort unterrichtete Kellner zunächst die drei Söhne des hiesigen Pfarrers Jeremias Schneider. Währenddessen hatte er reichlich Gelegenheit, die lateinische Sprache zu erlernen. Seine Leistungen blieben nicht unerkannt: Als nunmehr 20-Jährigen wurde ihm die Schuldiener- und Kantorenstelle im benachbarten Frankenhain angeboten, die er übernahm. Er pendelte aber wiederum nach zwei Jahren nach Gräfenroda zurück und wurde nun in seinem Heimatort Schuldiener und Organist. Neben dem eigenen Musikschaffen bemühte er sich erfolgreich um die Pflege des örtlichen Musiklebens und die der Volksmusik, eben mit einem besonderen Trieb und Lust auf Musik.
Um 1725 begann sein intensives Studium der bach’schen Werke, besonders die von Johann Sebastian (31.3.1685 Eisenach – 28.7.1750 Leipzig). „In den Jahren um 1728/29 sind die umfangreichsten Bach-Abschriften von Kellner oder von seinen Schülern angefertigt worden. Er scheint alles zusammengetragen zu haben, was ihm unter die Finger kam. Anhand der zahlreichen Bach-Abschriften ist Kellners Bemerkung in seinem Lebenslauf glaubwürdig:
„Ich hatte sehr viel von einem großen Meister der Music mehrmals theils gesehen, theils gehöret, und fand einen ausnehmenden Gefallen an dessen Arbeit. Ich meine den nunmehr seligen Capellmeister Bach in Leipzig. Mich verlangte nach dieser Bekanntschaft dieses vortrefflichen Mannes, und wurde auch so glücklich dieselbe zu genießen.“
„Dass Kellner in Ohrdruf bei Bernhard Bach in den „Bach-Freundeskreis“ aufgenommen wurde, ist nicht nur an diesen Abschriften, sondern ebenso an seinen zunehmenden Kontakten zu Bach-Schülern zu ersehen“, schreibt der Gräfenrodaer Kantor Peter Harder und zitiert Jacob Adlung, Organist und Komponist aus Erfurt:
„Kellner (Peter, d. A.) ist Schulmeister oder Cantor in einem gothaischen Dorfe, Gräfenrode, am Thüringer Walde, und gehört unter die stärksten Spieler, wovon ich vielmals ein testi oculatus und auritus zu seyn bey ihm Gelegenheit gehabt habe.“
Peter Harder resümiert weiter dazu:
„Interessant an Adlungs Bemerkung ist nicht nur das vielmalige Treffen, sondern insbesondere das Treffen in Gräfenroda. Hierbei kann es sich durchaus um Treffen des Bach-Freundeskreises in Gräfenroda handeln. Eine zufällige Durchreise von Adlung ist wegen der Abgeschiedenheit am Thüringer Wald eher unwahrscheinlich. Es ist deshalb auch nicht unmöglich, dass Johann Sebastian Bach bei solch einem Treffen, aus Arnstadt kommend, mit dabei gewesen sein könnte.“
An dieser Stelle sei erwähnt, dass Kantor Peter Harder mit einem Nachfahren der weit verzweigten Familie „Bach“ in Verbindung steht. Jener Peter Bach beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der Genealogie dieser, seiner, Verwandtschaftsentwicklung. Man darf gespannt sein, ob beispielsweise zu Tage tritt, dass Johann Sebastian wirklich während einer Stippvisite in Gräfenroda mit Johann Peter in der kleinen Gräfenrodaer Kirche 1728 die Orgel zwei Stunden lang traktiert hat. Oder ob ein Bericht des damaligen Pfarrers Jeremias Schneider zum Besuch Bachs hier vermutlich nicht gar eine Fälschung ist. Es gibt eine Kopie , das Original ist bis heute nicht auffindbar. —
Nun, 1730 wurde der erst fünfundzwanzigjährige Peter zu einer Orgelabnahme der neuen Volckland-Orgel nach Mühlberg gerufen. Franz Volckland in Berlstedt bei Weimar, 1696 geboren, war ein bekannter Orgelbauer dieser Zeit. Eine Vielzahl an Orgeln um Arnstadt und Erfurt herum tragen seinen „Handwerklichen Namen“.
Die Vorrausetzung einer Reise Kellners nach Mühlberg war wohl eine Empfehlung von Caspar Vogler, der ein Schüler von J. S. Bach war, als Hoforganist in Weimar diente und dort als Vizebürgermeister amtierte. Außerdem war Kellner da wohl schon ein geschätzter Organist und weit über sein kleines Heimatnest hinaus bekannt. Seine Zeitgenossen nannten ihn einen „großen Fugist auf der Orgel“. Feste Anstellungen an Fürstenhöfen wurden Johann Peter nicht gemacht. Das hatte er vermutlich gehofft. Angebote erhielt er nur von kleineren Orten, wie Ruhla. Er widmete sich voll und ganz seiner Lehrerstelle in Gräfenroda und den Kompositionen. Kellner sen. hat seinen Heimatort kaum verlassen, ist also eher in einer bescheidenen Bodenständigkeit geblieben. Dem 53-Jährigen wurde im Jahr 1758 der Titel „Kantor“ verliehen. In seinem musikalischem Schaffen hat er eine grandiose Arbeit geleistet. Unter dem lateinischen Namen „Certamen Musicum“ wurden seine Präludien, Fugen und Tanzstücke für Klavier sowie unter dem Namen „Manipulus musici“ eine Sonate und verschiedene Ouvertüren für Klavier veröffentlicht. Viele Choräle hat er in Einzelausgaben drucken lassen. Zahlreiche freie Orgelwerke sind in Abschriften durch seine Schüler überliefert.
Sein ältester Sohn Ludwig Heinrich war Kantor in Coburg. Johann Christoph, der zweite Sohn, (1736 Gräfenroda – 1803 Kassel), ging auch hinaus in die Welt, sammelte als Organist Erfahrungen in Amsterdam und Den Haag. Danach wurde die hessische Stadt Kassel für ihn und seine Familie der Lebens- und Wirkungsmittelpunkt. Dort war er Hoforganist an der Lutherkirche und u. a. Gründungsmitglied der Musikalischen Gesellschaft, eine renommierte und anerkannte Gesellschaft zur Pflege der Musik und zur Förderung von Musikern.
Dessen Sohn und Enkel von Johann Peter, Georg Christoph (1765 Kassel – 1808 Kassel), zählt zu den interessantesten Figuren im Umfeld der Familie Kellner – ein Mehrfachbegabter! Sein umfangreiches literarisches und philosophisch-pädagogisches Schaffen ist bemerkenswert. Lohnenswert ist es allemal, sich noch gründlicher damit zu beschäftigen! Dass zu seinem Wirken auch musiktheoretische Aufsätze gehören, ist bei seinen Wurzeln und seinen eigenen musikalischen Fähigkeiten nicht verwunderlich. Die Familie um Johann Peter Kellner, die in der Musikwelt bis heute einen klingenden Namen trägt, hat Große Geister hervorgebracht! Die Freundschaft des 23-Jährigen Kellner zum 43-Jährigen Bach ist hier eingeschlossen.
Der Verein „Straße der Musik“ wurde im Jahr 2009 in Halle/Saale initiiert. Er will seitdem „Mittler sein für alle musiktheoretische bedeutsamen Orte und Akteure“ und das musikreiche „Länderdreieck Mitteldeutschland“ sichtbarer und erlebbarer machen. Auf der Route durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist auch die „Station Gräfenroda“ beschildert. Das Logo ist am linken Portal der Einfahrt zum Vorplatz der Kirche sichtbar gemacht.
Auf dem Weg zur St.-Laurentius-Kirche im Geburts- und Heimatort von Johann Peter Kellner trägt ein Platz seinen Namen. Dort erinnert auch eine Gedenktafel an Leben und Werk des ersten Kantors im Ort. Initiatorin dieses Nachruhms war die im Jahr 2010 gegründete Gräfenrodaer Johann-Peter-Kellner-Gesellschaft. Diese Gemeinschaft pflegt bis heute das Wirken um die Musikerfamilie Kellner durch Forschungen, Publikationen und Veranstaltungen.
In der 1733 fertiggestellten größeren und eindrucksvolleren Kirche hat ihr erster Kantor Großes geleistet. Seine Werke erklingen stets. Auch in diesem Jahr wieder. In Gräfenroda wird der 320. Geburtstag von Johann Peter Kellner begangen. Diese Ehrung schließt den 260. Geburtstag seines Enkels Georg Christoph mit ein.
Kirchgasse, St. Laurentius Gräfenroda; Grafik Rainer Abendroth, ca. 1960er Jahre.
Am Sonntag, dem 28. September d. Js., wird in der St. Laurentius Kirche zu Gräfenroda ab 16 Uhr eine Kirchweih-Kantate zu Gehör gebracht. Der erste Kantor des Ortes hat sie vor 300 Jahren komponiert und ihr diesen Namen gegeben: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen“.
Der noch amtierende hat einen Teil dieses Chorwerkes mit der ihm eigenen besonderen Lust und einem fortwährend strebsamen Trieb auf Musik rekonstruiert.
Peter Harder, geschätzter und geachteter Ehrenbürger von Gräfenroda, geht nach 28 Jahren seines Wirkens als Kantor, als Organist im Kirchspiel Gräfenroda-Geschwenda, als Vorsitzender der Johann-Peter- Kellner-Gesellschaft Gräfenroda e. V. in den Ruhestand. Er wird seinen Wirkungsort gänzlich verlassen. Vorhandene Spuren allein in der musiktheoretischen Forschung sind durch ihn vermehrt worden und nicht mehr vorhandene wurden durch sein Engagement sichtbar gemacht. Es wird eine Lücke zu spüren sein, die er durch sein Weggehen hinterlässt.
Rotraut Greßler, Johann-Peter-Kellner- Gesellschaft Gräfenroda e. V.