Bürgermeister Dominik Straube zieht 221 kg
Gemeinde Geratal OT Gräfenroda, 21.06.2025
Bei den XXXI. Thüringer Steinhebermeisterschaften traten in diesem Jahr 36 Männer und 10 Frauen aus ganz Deutschland an. Bei diesem Rekordteilnehmerfeld wurde es eine Mammutveranstaltung. Über 6 Stunden, bei der alle auf ihre Kosten kamen. Beim Steinheben wird ein inzwischen reichlich ramponiertes Beton-Trapez als Sportgerät eingesetzt und das von Beginn an, seit 1991.
Das Steinheben und die Herstellung dieses Steins waren sogar ein wenig abenteuerlich. Jürgen Orttmann, zur Wendezeit bei Chemie Gräfenroda Sektionsleiter der Gewichtheber ist heute noch darauf stolz, dass er mit seinen Vorstandskollegen es gewagt hat, etwas ganz neues aufzubauen. Viel wurde auf die Idee eine Steinhebermeisterschaft auszurichten, anfänglich nicht gegeben, aber die leere Vereinskasse machte es dann doch möglich. Jürgen Orttmann, einst Programmierer bei Optima und Mikroelektronik, erinnert sich:
„Wie bei vielen Vereine, hat auch bei uns das Geld an allen Ecken und Enden gefehlt. Da hatten wir vom bayerischen Steinheben im Fernsehen gesehen und kamen auf die Idee, das in abgewandelter Art auch bei uns einmal auszuprobieren, im Sommer, als Fest und mit einem Betonstein.“
1991 stand ein Sportfest an und weil das nicht nur vom Fußball dominiert werden sollte, erfanden die Gewichtheber einen neuen Wettbewerb.
„Das Steinheben kam sehr gut an, und so gab es nicht nur 1992 eine Neuauflage, sondern wir organisieren das Fest seither mit ein paar Unterbrechungen jedes Jahr.“
2011 führte die Brandstiftung der überdachten Bühne in der Alten Lache zur Absage, dann Corona gleich für drei Jahre in Folge zwischen 2020 und 2022. Doch totzukriegen ist die Veranstaltung nicht, ganz im Gegenteil.
„Das Steinheben gehört inzwischen ganz fest zu Gräfenroda und das soll auch so bleiben“,
so Geratals Bürgermeister Dominik Straube, der 43-Jährige sogar selbst zur Hantel griff und obwohl er felsenfest behauptete, dafür gar nicht trainiert zu haben, zog er 221 Kilogramm nach oben. Das Ganze mit dem alten Originalstein, der durch eine später angebrachte Aufhängung für zusätzliche Scheiben inzwischen 201 Kilogramm wiegt.
Der heutige 66-jährige Jürgen Orttmann, erinnert sich, wie alles begann, und wie er mit seinem Mitstreiter Andreas Holl in die kreative Planung ging.
„Als Erstes musste ein Stein her. Eine Halterung und eine stabile Stahl-Kette waren schnell gefunden. Beim Rest war das dann schon etwas schwieriger. Andreas Holl hat eine Stahlumrandung geschweißt, die wir dann mit Beton verfüllen ließen.“
Das Trapez wurde dann verschalt von Wolfgang Kümmerling ausgefüllt, doch dann gab es den ersten Schreck. Orttmann:
„Wir hatten einfach nicht damit gerechnet, wie schwer der Stein werden würde. 150 bis 180 Kilogramm sollten es eigentlich werden. Fertig war der Stein 200 Kilogramm schwer und wir waren nicht wirklich sicher, ob diese Last überhaupt jemand nach oben bringen kann.“
Die Gräfenrodaer Gewichtheber testeten das selbst aus, entwickelten eine geeignete „Zugtechnik“ mit gestrecktem Rücken, bewegten den Stein und und wagten eine Premiere. Am 7. September 1991 gelangen dem Nürnberger Karsten Mörl die erste Rekordmarke, bei seinem Sieg mit 273 Kilogramm, die der nunmehr zwölffache Sieger Tobias Zinserling 2016 auf 426 Kilogramm schraubte, bis heute unerreicht, genau wie die Besucherzahl von 1000 aus dem Jahre 1996.
Bei den Frauen siegte in diesem Jahr die Leipzigerin Charlotte Dietz mit 210 Kilo vor Anna Eichner vom SV 90 Gräfenroda mit 205 kg. Vorjahressiegerin Lydia Eschrich (ebenfalls SV 90 Gräfenroda) brach angeschlagen bei 185 Kilo ab und wurde Dritte.
Der Apoldaer Tobias Zinserling, der als Gothaer Bierfassheber ebenso für Furore sorgt, gewann auch dieses Mal mit 401 Kilogramm, am Ende vor dem Jenaer Paul Munkelt, den er nach dessen mit 89,7 Kilogramm Körpergewicht sensationellen 366 Kilo spontan zu 401 überredete und ihm im Erfolgsfall den Sieg überlassen hätte. Munkelt scheiterte, Zinserling, immerhin 141 Kilo schwer, lag nach 371 Kilogramm schon vorn und schloss den Wettbewerb mit seinem 400er ab.
Zinserling, der vor jeder seiner Hebungen, sich einen Kümmerling gönnte und in Socken auf die Bühne stieg, wurde diesmal dennoch die Show gestohlen. Der 20-jährige Dereck Zehne, 82 Kilogramm schwer, trat in seiner Berufsbekleidung an und begeisterte nicht nur damit. Der Schornsteinfeger hob im Frack und mit Zylinder sagenhafte 241 Kilogramm und konnte das kaum fassen.
„Ich wollte nur ein bisschen Werbung für meine Zunft machen, wir haben große Nachwuchssorgen. Und hier wollte ich sehen, was geht, Spaß haben.“
Sein Kumpel Dennis Pfaff hatte ihn überredet, mit zum Vorabtraining am Stein in die Sporthalle zu gehen.
„Das waren zwei Trainingseinheiten. 140 oder 160 Kilogramm waren mein Ziel, dass es dann 231 sicher und 241 mit kleineren Abstrichen wurden, ist unglaublich“,
so der Mann in Schwarz.
Aber auch die vielen weitgereisten Teilnehmern wie Strongmann Dennis Biesenbach aus Ennepetal der als dritter 351 kg bewältigte, Tim Eichholz aus Eisenach dem 311 kg gelangen oder die beiden Masters Guido Biastoch mit 311 und Ramon Baubel mit 281 kg begeisterten das Publikum.
Die Jugendwertungen gewannen Lilly Habermann vom Gothaer Bierfassheberverein mit 100 kg und Nils Gürth vom SV 90 Gräfenroda mit 251 kg.
René Holtmann